Karate Dō
Karate, wie man es heute kennt, ist eine verhältnismäßig junge Kampfkunst mit überaus tiefen Wurzeln, die ihren Ursprung auf den damals noch von Japan unabhängigen Ryūkyū-Inseln im Südwesten Japans haben. Dō bezeichnet sinnbildlich den Weg, auf den man sich mit dem Entschluss, eine Kampfkunst in vollem Umfang zu studieren, begibt. Das Wort Dō ist auch ein Indiz auf den Budō, den Weg des Kriegers, der allen traditionellen japanischen Kampfkünsten innewohnt. So lehren Kendō, der Weg des Schwertes, Kyūdō, der Weg des Bogens und diverse andere auch waffenlose Kampfkünste allesamt Fähigkeiten, die unter anderen den Samurai der japanischen Feudalzeit in ihren Kämpfen zu Gute kommen und somit dem Schutz ihres eigenen Lebens dienen sollten.
Bei sämtlichen Kampfkünsten geht das Üben von Techniken einher mit der Entwicklung des Charakters und des Geistes. Das Studium und die Anwendung des Budō oder eines Bujutsu beschränken sich somit nicht nur auf die Leibesübungen im Dōjō, sondern erstrecken sich bis hinein in das alltägliche Leben eines Budōka.
Ausdauernde Disziplin, Entschlossenheit und Respekt sind Grundvoraussetzungen, die man bis zu einem gewissen Grad erfüllen sollte, wenn man gedenkt, den Budō zu beschreiten. Entspricht man diesen Anforderungen, kann der Budō, unabhängig von Alter, Geschlecht und körperlichen Voraussetzungen, eine große physische wie auch spirituelle Bereicherung darstellen. Insbesondere Kindern ab Grundschulalter werden durch die Ausübung solch komplexer asiatischer Kampkünste neben wichtigen motorischen Fähigkeiten auch Werte wie Respekt, Disziplin, Ausdauer, Selbstbewusstsein sowie Selbstbeherrschung vermittelt.
Karate Dō beschäftigt sich als waffenlose Kampfkunst überwiegend mit Stößen, Schlägen, Tritten, aber auch Hebeln und Würfen und infolgedessen auch mit dem Kampf am Boden. Die korrekte und exakte Ausführung dieser Techniken wird in der Kihon vermittelt, welche das Fundament für die darauffolgende Lehre der Anwendung der Technik und somit deren Ideen bildet. Im Kumite wird der Karateka dann in die praktischen Anwendungen dieser Techniken eingewiesen. Dabei bildet das Yakusoku Kumite, also der abgesprochene Kampf, die Anfangsstufe, worauf später fortgeschrittene Übungen folgen. Die Essenz des Karate verbirgt sich in der Kata, einer Form, in der definierte Techniken nach einem vorgegebenem Muster ausgeführt werden. Um diese Form des Karate zu begreifen und seine Kernbotschaft zu entschlüsseln, bedarf es der Bunkai Kaisetsu, bei der man eine Kata in ihre Einzelteile zerlegt, um ausgewählte Techniken zu interpretieren und in Anwendungen zu überführen.
Durch langjährige Übung all dieser Komponenten in verschiedensten Formen sollen Karateka lernen, ihre erlangten Fähigkeiten und Kenntnisse situationsgerecht einzusetzen und zu kombinieren, um Karate letztendlich als angewandte Selbstverteidigung ausüben zu können.
Mit wachsender Erfahrung wird ein Karateka seine erlernten Fähigkeiten auch immer öfter auf neue Bereiche übertragen, die eher selten Einzug in das gewöhnliche Trainingsprogramm finden. So ist es bereits ab höheren Kyū-Graden üblich, sich auch mit beispielsweise Tantōdori, Tachidori und Idori auseinanderzusetzen. Diese Elemente beinhalten Trainingsformen, bei denen Abwehrtechniken für die Konfrontation mit Messer, Schwert oder Angriffe aus sitzender Position vermittelt werden.
Im Karate wie auch in allen anderen Kampfkünsten gibt es auch nach jahrelanger Übung immer noch Neues zu entdecken. Das beständige Streben nach neuen Erkenntnissen, wirkungsvolleren Techniken und besserem Verständnis, nach der unmöglichen Perfektion und der in all diesem Streben stattfindenden geistigen Entwicklung kann eine Art sein, Dō zu deuten.
Entwicklung des Karate Dō
Sucht man nach den Ursprüngen des heute überwiegend mit Japan assoziierten Karate, erfährt man schnell, dass auch das chinesische Quánfǎ (zu japanisch kempō, eher bekannt unter Kung Fu) seinen Beitrag zur Entwicklung des Karate geleistet hat. Vorwiegend wird das 14. Jahrhundert, genauer 1392, als Beginn dieser Fusion von chinesischen mit japanischen Kampfkünsten angeführt. Als Zentrum des seinerzeit unabhängigen Ryūkyū-Königreichs pflegte dessen Hauptinsel Okinawa intensive Handelsbeziehungen sowohl mit Japan als auch China und anderen ostasiatischen Ländern, infolge derer Kaufleute, Studenten und Gesandte der beiden Länder sich auf dem jeweils fremden Land ansiedelten. Durch den damit verbundenen kulturellen Austausch erhielten die okinawanischen Landsleute Eindrücke aus chinesischen Kampftechniken, die vermutlich teilweise in ihr bereits bestehendes Kampfsystem, das Te (auch Ti), integriert wurden. Aus dieser Symbiose entsprang das tōde 唐手, wobei der erste Wortteil tō 唐 ein Indiz für dessen chinesischen Ursprung ist. Ein weiterer Name war okinawa-te.
Da das Kanji tō 唐 auch kara gelesen werden kann, ergibt sich für 唐手 als zweite Aussprache karate. Die Änderung des ersten Kanji zu 空 (japanisch Leere, Himmel), das ebenfalls kara gelesen werden kann, erfolgte erst recht spät in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Somit wich das Kanji, welches das China der Tang-Dynastie bezeichnete, einem, das weniger den Fokus auf den Ursprung des Karate legt, sondern eher einen sowohl philosophischen als auch physischen Bezug herstellt, da Karate überwiegend waffenlos, also mit leeren Händen und, wie die meisten Bujutsu, mit leerem oder freiem Geist ausgeübt wird.
Im weiteren Verlauf der Einigung des durch wiederkehrende Aufruhre geplagten Inselkönigreichs im Jahr 1429 durch König Shō Hashi erließ dieser ein Dekret, welches das Tragen sämtlicher Waffen verbot. Somit sollte der Fortbestand des erworbenen Friedens gesichert werden. Mit Beginn seiner Regentschaft 1477 setzte auch sein Thronfolger Shō Shin dieses Verbot konsequent durch. Umso mehr Menschen interessierten sich in dieser Zeit für das ohne Waffen ausgeübte tōde beziehungsweise okinawa-te. Viele Meister des tōde nahmen auch den weiten Weg nach China auf sich, um durch das dortige Training des Quánfǎ neue Techniken zu lernen und ihre Kampfkunst zu verbessern.
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